Mittwoch, 29. Juli 2009

Niedrigere Zielwerte beim Blutdruck bringen keine Vorteile


Dauer und Art der Therapie von Bluthochdruck hängt unmittelbar davon ab, welche Zielwerte die Ärzte für ihre Patienten anstreben. Viele Jahre lagen diese im Bereich von 140 bis 160 mmHg beim systolischen Wert, sowie bei 90 bis 100 mmHg beim diastolischen Wert. Im Lauf der letzten Jahre neu eingeführte Leitlinien empfehlen den Ärzten aber häufig, den Blutdruck auf niedrigere Zielwerte zu senken. Eine soeben veröffentlichte systematische Cochrane-Review untersuchte, ob dieses Vorgehen das Krankheits- und Sterberisiko der Betroffenen reduziert. Das Ergebnis: Die medikamentöse Senkung des Blutdrucks unter eine Grenze von 140/90 bringt keine Vorteile.

Dieses Ergebnis war insofern überraschend, als epidemiologische Studien einen direkten Zusammenhang zwischen Herzkrankheiten und Blutdruck zeigen. Allerdings gilt diese Korrelation vor allem für den höheren Blutdruck-Bereich und wird bei nur mäßig erhöhten Werten schwächer. Ein wirklicher harter Grenzwert wurde bislang noch nicht wissenschaftlich etabliert. Auf Konsensus-Meetings von Hypertonie-Experten wurden aber dennoch zuletzt immer niedrigere Zielwerte beschlossen und in die Leitlinien aufgenommen. Etwa zur Jahrtausendwende wurden auch einige prospektive randomisierte Studien gestartet, um den Wert der aggressiveren Blutdruck-Senkung wissenschaftlich zu prüfen. Theoretisch wäre es ja auch möglich, dass die Nebenwirkungen der Medikamente deren Nutzen übertreffen.

Für die westlichen Gesundheitssysteme sind diese Fragen auch ökonomisch von großer Bedeutung, da schon bisher mehr als ein Drittel der Bevölkerung im Alter über 45 Jahren als Hypertoniker definiert sind. Jede weitere Absenkung der Grenzwerte würde wiederum Millionen von Menschen „Medikamenten-pflichtig“ machen. In den Leitlinien der „Deutschen Hypertonie Gesellschaft“ wird bei leicht erhöhten Werten (> 140/90), sofern keine anderen Risikowerte vorliegen (Übergewicht, Rauchen, Blutzucker, etc.) die „Veränderung der Lebensweise für einige Wochen“ angeraten. Wenn dies keinen Erfolg bringt - oder sich für den Patienten als undurchführbar erweist, wird in der Folge eine Behandlung mit Antihypertensiva angeraten. Sobald Risikofaktoren vorhanden sind, wird die Therapie sofort begonnen.
Bei einem diastolischen Zielwert von weniger als 90 mmHg, der über längere Zeit nicht erreicht wird, würde also ein Patient mit einem Wert von 92 mmHg von seinem Arzt entweder eine höhere Dosis Blutdruck senkender Medikamente oder ein zusätzliches Mittel verordnet bekommen.
„Es ist auch wichtig zu wissen, dass 30 bis 40 Prozent der Patienten in den von uns untersuchten Studien diese Zielwerte dennoch nicht erreichen“, schreiben die Cochrane Autoren. „Und das, obwohl dafür bis zu drei oder vier blutdrucksenkende Medikamente eingesetzt werden.“

Insgesamt wurden in der Analyse sieben Studien mit zusammen mehr als 22.000 Teilnehmern ausgewertet. In den Gruppen, die einen niedrigeren Zielwert anstrebten wurde der Blutdruck im Mittel um -4/-3 mmHg gesenkt. Dies hatte jedoch weder auf das Herzinfarkt-, Schlaganfall-, oder Herzschwäche-Risiko, noch auf die Gesamt-Sterblichkeit einen signifikant günstigen Einfluss. Dasselbe gilt für chronisches Nierenversagen.

Möglich wäre sogar ein ungünstiger Einfluss durch die Nebenwirkungen der Medikamente. Dies, kritisieren die Autoren, sei jedoch schwer zu prüfen gewesen, da die Informationen über schwere Nebenwirkungen und die Gründe für einen Abbruch der Studienteilnahme, in sechs der sieben eingeschlossenen Arbeiten fehlten.


Für Patienten mit Nierenkrankheiten oder Diabetes gelten in den meisten Leitlinien noch niedrigere Zielwerte für eine erfolgreiche Therapie. Sie sind mit „weniger als 130/80“ relativ einheitlich festgesetzt. Das Dreierteam, das die Cochrane-Review durchführte – zwei Wissenschaftler der University of British Columbia in Vancouver, einer von der Universidad de Costa Rica – wollen sich in einer neuen Arbeit dieser speziellen Gruppe widmen und sehen, ob zumindest den Hochrisiko-Patienten die niedrigeren Zielwerte einen Nutzen bringen.

3 Kommentare:

  1. Es gibt mindestens eine Studie, die beweist, dass ein niedriger erreichter Zielblutdruck die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Patienten erhöht.

    Allerdings ist Blutdrucksenken nicht etwas, was leicht geht. Wer einen niedrigen Zielblutdruck erreicht, hat schon vorher einen weniger hohen gehabt als jemand, der einen sehr hohen Ausgangsblutdruck hatte und dann nur einen hohen Zielblutdruck erreicht.
    Der mit dem mäßig hohen und erreichten normalen Blutdruck hat also schon von vornherein weniger Medikamente bekommen als der sehr hohe, der einen hohen erreicht.

    Das einzige, was diese Studie beweist, ist, dass Medikamente gegen Bluthochdruck gefährlich sind.

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  2. Möglicherweise ist der folgende Artikel in der Seattle Times für den einen oder anderen von Interesse.

    New blood-pressure guidelines pay off - for drug companies

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  3. Von niedrigeren Zielwerten halte ich persönlich auch nichts. Da ist es mir schon wichtiger, dass ich durch meine Ernährung oder mithilfe von Hausmittel den Bluthochdruck natürlich senken kann.
    Bisher klappt das auch ganz gut!

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